dein leben ist dein leben ist dein sieg

halte fest was du beweisen kannst

dein leben ist dein leben ist dein tod

halte aus bis du dich selbst erkannt1

der zuliebst verdrängte gedanke unserer gesellschaft ist der gedanke des einzelnen an seinen individuellen tod. nur allzu gerne lässt ein wesen ungerngedachte gedanken im vergessen verwesen2. wozu denn denken?!3 gibt es nichts dem eigenen tod folgendes, so ist das vorangelebte leben der totalen sinnlosigkeit vorgeworfen, denn worin liegt der sinn eines konsequenzenlosen lebens? meine eltern sind ursache meines lebens, ich dessen wirkung. macht es sinn, wenn ich wiederum ursache meiner kinder werde; die verantwortung für weitere menschen zu tragen versuche? wer weiß schon, was es heißt, verantwortung zu übernehmen?4, die verantwortung, neue menschen in dieses sinnlose zu setzen, denn ist es nicht sinnlos, wenn ewig? ewig, dann, wenn es fortwährend ursache und wirkung gibt, wobei die wirkung ursache der nächsten wirkung wird. oder können wir auf den wartend hoffen oder hoffend warten, der eines tages auf die frage, wer die ursache der ersten wirkung war, antworten kann: „ich wars!“? ist ein solcher gedanke eines anfanges in form einer ersten ursache5 überhaupt wahrscheinlich; kann ein tranzendentes wesen einen solchen anfang aller prozesse gemacht haben? wie steht es mit einem solchem; wer war die ursache, dessen wirkung dieses wesen darstellt? oder kommen wir an dieser stelle in einen bereich, für den unsere begriffsbestimmung von „zeit“ neu zu umreißen ist? wenn ein solches wesen auch die ursache unsere zeit ist, stellt sich die frage nach der zeit vor diesem wesen natürlich nicht mehr. dann muß dieses wesen von je her existieren, denn schließlich kann es keine zeit von sich aus geben; erst durch in ihr abfolgende prozeße existiert sie6, denn das ist ihr wesen, welches nur auf diese weise zum vollzug gelangen kann. kann ein wesen zeitlos, weil vor dem beginn der zeit, existieren? ist zeitlose existenz unmöglich, kann es dann noch ein wesen geben, dessen wirkung die zeit ist? diese überlegungen nur, um wahrscheinlichkeiten zwischen den zwei genannten möglichkeiten abzuwägen, die immerhin den sinngehalt unserer existens zu beeinflussen vermögen; schließlich steigt dieser sinngehalt wahrscheinlicherweise, wenn wir von einem absichtsvoll handelnden wesen geschaffen wurden, verglichen mit der möglichkeit, eine wirkung aus der unendlichen abfolge einer ursachen-wirkungs-kette mit der möglichkeit zu sein, sich selber einzufügen, und ursache einer nächsten wirkung zu werden und diese kette ins weiterhin unendlich-ewige fortzusetzen. an dieser stelle seien drei verse aus einem lied7 zitiert: „ich streife einsam mich mit dieser oberflächen welt / gutes sei ein löblich brot von dem ich zehre bis zum tod / denn ich bin immer noch ein mensch“. der textschreiber versucht so gut als möglich zu leben, wobei nebenbei die frage nach dem entscheidenden moment bleibt, an dem sich „gut“ und „böse“ ausrichten; doch beschränkt er dieses ausrichten seiner tätigkeiten auf sein leben, womit einerseits seine ganze existenz, anderseits nur die physische gemeint sein kann, welche natürlich, seinen überlegungen nach, identisch sein können. der zuletzt zitierte vers läßt auf grund einer sprachlichen zweideutigkeit logischerweise auch zwei interpretationsmöglichkeiten: „immernoch“ kann sich selbst einschränkend, quasi entschuldigend im sinne von „auch nur“ verstanden werden, oder aber, besonders deutlich, wenn das „ich“ stellvertretend für alle menschen verstanden wird, im sinne von „ich bin immer und immer und immer noch ein mensch, und noch einer“, nur noch eine nummer, eine weitere kopie, eine wiederholung mehr von diesem ewigen einerlei8 einer ewig fortwährenden abfolge von ursache und wirkung. in diesem verständnis wird nur allzu deutlich, dass der textschreiber nicht hoffend und wartend seine existenz verlebt, sondern trotz der sinnlosigkeit angesichts der ewigkeit gut zu leben bemüht ist, wobei er sich im nietzschischem sinne selber „gut“ und „böse“ sucht9, und auf keinen gott wartet, der ihm solche regeln diktiert.

der zumindest physische tod des menschen ist, im gegensatz zu den gedanken desselben an denselben, unsterblich, womit zu zeigen ist, wie viel sinnloser eine menschenexistenz dadurch wird – wenn es sich mit allem so sinnlos verhält, wie die eine angezeigte möglichtkeit es ausführt – dass sie sich keine gedanken zu machen versucht in bezug auf die frage nach dem tod, der schließlich ein wesensmerkmal des menschen ist, und somit zur geltung gebracht werden muss, wenn dieser mensch menschlich leben möchte. also ist jegliches menschliche bestreben nach selbstverwirklichung vergeblich, wenn das vergessen des eigenen todes erstrebt wird.

anmerkungen, zitaten- und formulierungsquellen:

 

1„dein leben“ der platte „staub“ der band „das ich“ (1994)

2„kaltes licht“ der platte „das sterben ist ästhetisch bunt“ der band „goethes erben“ (1992/8)

3„die brut“ der mini-cd „die brut“ der band „goethes erben“ (1992)

4musictheaterstück „kondition: macht!“ der band „goethes erben“ (ii. akt, vii. szene) (1998)

5thomas von aquin, zweiter weg für einen gottesbeweis [es gibt eine erste, beliebig viele zweite, und eine dritte ursache, wobei die erste gesetzt sein muss – von gott]

6vergleiche heideggers bezug zu einsteins relativitätstheorie in der vorlesung „der begriff der zeit“ (s. 7f der veröffentlichten mitschrift, erschienen im max niemeyer verlag, tübingen, 1995)

7„im ich“ der platte „staub“ der band „das ich“ (1994)

8søren kierkegaard, „die krankheit zum tode“ (ende zweiter absatz unter β) verzweiflung der endlichkeit ist das fehlen von unendlichkeit im „ersten abschnitt“ (s. 36, reclam 1997)

9vergleiche nietzsches begriff des „übermenschen“