Absturz

 

Die Hand war zusammengekrampft, umklammerte mit solcher Kraft die meine, dass ich einen Aufschrei unterdrücken musste. Meine Fingerknöchel schmerzten wie verrückt. Sie wurden aufeinandergepresst. Sie wurden aneinandergerieben. Ich wollte stöhnen. Ich wollte schreien.

Die Handflächen waren feucht.

Der Schweiß machte auch meine Hände naß, rutschig, verklebt.

 

Ich konnte mir nicht die Ohren zuhalten, um die schrill hervorgestoßenen Angstlaute nicht mir anhören zu müssen.

Ich hätte viel darum gegeben die Augen verschließen zu können, um dem Blick ausweichen zu können. Die Pupillen bewegten sich unaufhörlich von der einen Augenseite zur anderen. Pausenlos hetzten sie über mein Gesicht, immer schneller werdend, langsam begreifend, dass es keinen Ausweg mehr geben würde. Ein ungläubiger Ausdruck jähen Entsetzens schlich sich in das Gesicht. Die Nasenflügel bebten, der Mund war verzerrt aufgerissen.

Immer mehr Schweiß strömte aus den Poren in der Haut.

 

Ich beugte mich noch einmal vor, versuchte erneut das immerschwerer werdende Gewicht mit mir zurückzuziehen, um ein Haar wäre ich auch gefallen.

In meinem Bauch zog sich etwas zusammen, meine Beine fühlten sich an wie brüchige Stelzen, als ich die Tränen bemerkte, die aus den Augen quollen und über die fahlen Wangen rannen.

Ich spürte die Woge, die auch auf meine Körper überging.

Und dann schrie ich: Nein, nicht!

Aber damit übertönte ich das Weinen auch nicht mehr.

Die Fingernägel, die sich in mein Fleisch gebohrt hatten, begannen umzuknicken. Der Druck lockerte sich wie in Zeitlupe.

Ich hatte Angst.

Reflexartig krallte ich meine Finger in den dünnen Stoff. Steine bröckelten ab. Der Stoff war schmutzig und verschlissen. Als er riß, hatte ich schon den Arm umpackt, irgendwo knackte etwas laut, das erstickte Kreischen ließ mich zusammenfahren. Blut schlängelte sich durch meine Finger hindurch.

Der Druck wurde zum letzten Mal fester. Meine Fingerknöchel staken hell aus den dunklen Flecken auf meinen Händen hervor.

Die Augen kniffen sich zusammen, die Lippen waren gespitzt, als ob sie unendlich viel Luft in sich hineinsaugen wollten.

 

Dann ließ ich los.

Ich hörte keinen Aufprall.

Um mich herum rollten nur noch ein paar kleine Steine dem Abgrund zu.

 

Stille.

Angst und

Ende.

(susanne)